Die Unterzeichnung des Friedensabkommens – das am 2. Oktober durch eine Volksabstimmung noch bestätigt werden muss – ist in Kolumbien zu Recht ein Festtag. Der historische Erfolg könnte jedoch untergraben werden, wenn diejenigen nicht zur Verantwortung gezogen werden, die für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Eine Übergangsjustiz soll zwar dafür sorgen, dass ein gewisses Mass an Wahrheitsfindung, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für einige der Opfer sicherstellt wird. Etliche Bestimmungen genügen jedoch dem internationalen Recht nicht: So steht das Ausmass der Strafen für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in keinem Verhältnis zur Schwere der begangenen Verbrechen. Die Definition der Befehlsverantwortung ist so eng gefasst, dass es zahlreichen Kommandanten der Konfliktparteien gelingen könnte, sich der Justiz zu entziehen.
Kolumbien hat seit den blutigsten Jahren des Konflikts einen langen Weg zurückgelegt. Menschenrechtsverletzungen und Übergriffe gegen marginalisierte – insbesondere indigene und afrokolumbianische – Gemeinschaften sowie gegen Menschen- und Landrechts-Aktivistinnen und Gewerkschafter sind jedoch nach wie vor an der Tagesordnung; sie werden meist von paramilitärischen Gruppen verübt. Dies hängt weniger mit dem Konflikt zwischen Regierung und FARC zusammen als mit ökonomischen Interessen wie Bergbau, Infrastrukturvorhaben oder Agroindustrie.
Im Zuge der Umsetzung des nunmehr geschlossenen Friedensabkommens muss die Regierung nicht nur eng mit den Opfern des Konflikts zusammenarbeiten, sondern auch entschieden gegen die ökonomisch motivierten Gewaltakte gegen zivile Gemeinschaften und AktivistInnen vorgehen. Sonst droht das historische Abkommen ein Stück Papier zu bleiben.