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Saudi-Arabien

Kenianische Hausangestellte werden Opfer schwerer Ausbeutung

Kenianische Frauen, die in Saudi-Arabien als Hausangestellte beschäftigt sind, leiden unter zermürbenden, missbräuchlichen und diskriminierenden Arbeitsbedingungen, die in vielen Fällen an Zwangsarbeit und Menschenhandel reichen. Dies zeigt ein neuer Bericht von Amnesty International.

Details

Der Bericht «Locked in, left out: the hidden lives of Kenyan domestic workers in Saudi Arabia»  (96 Seiten in Englisch) dokumentiert die Erfahrungen von mehr als 70 Frauen, die früher in Saudi-Arabien gearbeitet haben. Oft wurden sie von Vermittler*innen in Kenia über die Art ihrer Arbeit getäuscht. In Saudi-Arabien mussten sie unter brutalen Bedingungen arbeiten, schufteten regelmässig mehr als 16 Stunden, sieben Tage am Stück. Die meisten von ihnen durften das Haus nicht verlassen und waren schrecklichen Lebensbedingungen und unmenschlicher Behandlung ausgesetzt. Viele erlitten verbale, körperliche sexualisierte Gewalt. Die Arbeitgeber*innen konfiszierten in der Regel ihre Pässe und Telefone und behielten manchmal ihren Lohn ein.

Katherine* sagte, dass sie «mit Keksen überlebte», wobei ihr Arbeitgeber ihr nur Reste, verdorbene Lebensmittel oder manchmal gar nichts zu Essen gab – wobei er sogar Essen, das Katherine selbst gekocht hatte, in den Müll warf. 

«Diese Frauen reisten nach Saudi-Arabien auf der Suche nach Arbeit, um ihre Familien zu unterstützen. In den Häusern ihrer Arbeitgeber*innen mussten sie dann unsägliche Misshandlungen ertragen», sagte Irungu Houghton, Direktor von Amnesty International Kenia. «Die Behörden in Saudi-Arabien behaupten zwar, dass sie Arbeitsrechtsreformen durchgesetzt hätten, doch hinter verschlossenen Türen sind Hausangestellte weiterhin einem schockierenden Ausmass an Rassismus, Missbrauch und Ausbeutung ausgesetzt. Die saudischen Behörden sollten Hausangestellten dringend arbeitsrechtlichen Schutz gewähren und ein wirksames Inspektionssystem einführen, um gegen den weit verbreiteten Missbrauch in Privathaushalten vorzugehen. Zudem muss das Kafala-Sponsoringsystem vollständig abgeschafft werden. Es bindet ausländische Arbeitskräfte an ihre Arbeitgeber*innen und befördert Ausbeutung und systemischen Rassismus.» 

Weder die saudischen noch die kenianischen Behörden haben auf das Ersuchen von Amnesty um Stellungnahme oder Informationen geantwortet.

Zustände wie im Gefängnis

Extreme Überarbeitung war ein allgemeines Problem für die Dutzenden von Frauen, die mit Amnesty International sprachen. Ein typischer Arbeitstag bestand aus mindestens 16 Stunden, oft auch mehr. Die Arbeit beinhaltete Putzen, Kochen und Kinderbetreuung. Die Frauen erhielten durchschnittlich 900 SAR (240 USD) pro Monat, Überstunden wurden nicht bezahlt, was bedeutet, dass ihr durchschnittlicher Lohn unter Berücksichtigung der Arbeitszeiten bei etwa 0,5 USD pro Stunde lag. Ausserdem zahlten einige Arbeitgeber*innen die Löhne der Frauen verspätet oder gar nicht aus. Praktisch alle befragten Frauen berichteten, dass sie während ihres Aufenthalts in Saudi-Arabien keinen einzigen freien Tag hatten – einige von ihnen sogar arbeiteten bis zu zwei Jahre am Stück.

Rashida*, eine ehemalige Hausangestellte, sagte: «Sie [die Arbeitgeberin] hat nicht geglaubt, dass ich müde werden könnte. Es gab keine Möglichkeit zum Ausruhen. Ich habe den ganzen Tag für sie gearbeitet, und selbst nachts musste ich noch arbeiten.»

Alle Frauen berichteten, dass sie mit starken Einschränkungen ihrer Freiheit und Privatsphäre konfrontiert waren; die Beschlagnahmung ihrer Telefone schnitt sie von der Aussenwelt ab, was zu einer starken Isolation führte und ihnen den Kontakt zu ihren Familien verwehrte.

Joy*, eine weitere ehemalige Hausangestellte, erzählte, wie sie sich während ihrer Zeit in Saudi-Arabien gefangen fühlte. «Ich hatte keine Freiheiten, denn wenn man einmal drinnen ist, kommt man nicht mehr raus. Du gehst nicht raus und siehst nicht hinaus. Ich hatte das Gefühl, in einem Gefängnis zu leben.»  

Trotz der übermässigen Arbeitsbelastung wurde den meisten Frauen das Essen vorenthalten oder es wurden ihnen nur Reste gegeben, so dass einige von Brot oder getrockneten Instantnudeln leben mussten.

Katherine* sagte, dass sie «mit Keksen überlebte», wobei ihr Arbeitgeber ihr nur Reste, verdorbene Lebensmittel oder manchmal gar nichts zu Essen gab – wobei er sogar Essen, das Katherine selbst gekocht hatte, in den Müll warf. 

Die meisten Frauen schilderten auch, dass sie völlig unzureichende Lebensbedingungen vorfanden, oft mussten sie in einem Vorratsschrank oder auf dem Boden eines Kinderzimmers schlafen und hatten kein richtiges Bett, kein Bettzeug und keine funktionierende Klimaanlage.

Viele der Frauen berichteten, wie sie von ihren männlichen Arbeitgebern angeschrien, beschimpft und gedemütigt wurden, während andere sexuelle Übergriffe und in einigen Fällen sogar Vergewaltigungen erlebten. Dazu gehörte auch Judy, eine alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, die nach Saudi-Arabien gekommen war, um ihrem gewalttätigen Ehemann zu entkommen. 

Judy erzählte Amnesty International von den Übergriffen durch ihren Arbeitgeber: «Er hat mich vergewaltigt und mir sogar gedroht, ich solle es seiner Frau nicht sagen. Ich habe versucht, ihm zu sagen, er solle aufhören, aber Männer sind sehr stark. Er hat mich vergewaltigt, fünf Mal.»

Viele der Frauen hatten zu viel Angst, die Misshandlungen den saudischen Behörden oder der kenianischen Botschaft zu melden. Diejenigen, die es dennoch taten, mussten mit Vergeltungsmassnahmen oder erfundenen Anschuldigungen rechnen, wie z. B. Diebstahl, und verloren ihren Lohn.

Rassistische Beschimpfungen

Der Bericht dokumentiert auch die weit verbreitete rassistische Diskriminierung der Hausangestellten. Viele der Frauen berichteten, dass sie von ihren Arbeitgeber*innen mit äusserst abfälligen und rassistischen Bezeichnungen wie «hayawana» (Tier), «khaddama» (Dienerin) und «sharmouta» (Prostituierte) beschimpft wurden. Die Arbeitgeber*innen sprachen auch abfällig über ihre Hautfarbe, kommentierten ihren Körpergeruch oder hinderten sie daran, das gleiche Besteck oder die gleichen Haushaltsgeräte wie die Familie zu benutzen, weil sie aus Afrika stammten. 

Irungu Houghton von Amnesty International Kenya sagte: «Der Kern des Missbrauchs liegt in einem Arbeitssystem, das durch historischen und strukturellen Rassismus untermauert wird und in dem rassifizierte migrantische Hausangestellte entmenschlicht und als Wegwerfartikel behandelt werden.»

Unzureichende Gesetze und Reformen

In den letzten Jahren hat Saudi-Arabien im Rahmen seines Programms «Vision 2030» begrenzte Reformen des Kafala-Sponsoringsystems eingeführt. Dieses System bindet die 13 Millionen Arbeitsmigrant*innen des Landes an ihre Arbeitgeber*innen und befördert Zwangsarbeit und andere schwere Menschenrechtsverletzungen.

Die bisherigen Reformen beschränken sich weitgehend auf Arbeitnehmer*innen, die unter das saudische Arbeitsrecht fallen, von dem aber Hausangestellte weiterhin ausgeschlossen sind. Hausangestellte dürfen sich weiterhin nicht frei bewegen und benötigen in den meisten Fällen immer noch die Erlaubnis ihrer Arbeitgeber*innen, um den Arbeitsplatz zu wechseln oder das Land zu verlassen.

Im Jahr 2023 führte die Regierung neue Vorschriften für Hausangestellte ein, um die Arbeitszeiten und -bedingungen besser zu regeln. Doch ohne ein wirksames System zur Überwachung und Durchsetzung dieser Regeln, bleiben die Vorschriften in der Praxis oft bedeutungslos. Viele der dokumentierten Missbräuche sind nach saudischem Recht illegal, blieben aber völlig ungestraft.

«Kenia muss zum Schutz von Hausangestellten im Ausland die Anwerbungspraktiken besser regulieren und sicherstellen, dass die Botschaften so ausgestattet sind, dass sie Hausangestellte in Not rasch helfen können, etwa durch die Bereitstellung von sicheren Unterkünften sowie finanzieller und rechtlicher Unterstützung», sagte Irungu Houghton.

Zu den Hintergründen

Rund 4 Millionen Menschen arbeiten als Hausangestellte in Saudi-Arabien, darunter 150‘000 Kenianer*innen. Aufgrund der steigenden Arbeitslosigkeit in Kenia haben die Behörden junge Menschen ermutigt, in den Golfstaaten, darunter Saudi-Arabien, Arbeit zu suchen.

*Namen wurden geändert

Medienmitteilung 13. Mai 2025, London/Bern – Medienkontakt