Zahlen zur homo- und transphoben Gewalt fehlen bisher in der Schweiz.[1] Polizeistellen und Strafverfolgungsbehörden registrieren Gewaltakte zwar basierend auf Rassismus, die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität der Opfer von Gewalt spielt bei der Deliktstatistik aber keine Rolle. Das führt zu einem Informations- und Wissensdefizit. Denn was nicht erfasst wird, findet offiziell auch nicht statt und bleibt unter dem Radar von Politik und Öffentlichkeit. Wo Zahlen fehlen, fehlt es auch an einer Legitimierung von wichtigen Beratungs- und Unterstützungsangeboten.
Die neue nationale Meldestelle «LGBT+ Helpline Schweiz» schliesst nun diese Erfassungslücke. Opfer, Zeuginnen und Zeugen erhalten die Möglichkeit, mittels einer 24-Stunden-Hotline oder eines standardisierten Online-Fragebogens Diskriminierungen, Gewalt- und Hassverbrechen (Beschimpfungen, verbale und körperliche Angriffe etc.) an LGBT anonym zu melden.
Ein Team von rund 30 Personen, die als psychologische BeraterInnen ausgebildet wurden oder selber in diesem Bereich arbeiten, unterstützen die Opfer und Ratsuchenden bei allen Fragen rund um LGBT, vermitteln SpezialistenInnen wie ÄrztInnen oder PsychologInnen oder helfen beim Gang zur Polizei.
Mittels einer Plakatkampagne werden Öffentlichkeit, Behörden und LGBT-Menschen auf die Thematik von homo- und transphoben Hassverbrechen sensibilisiert und auf die neue Erfassungsstelle aufmerksam gemacht. Um nebst den Kanälen wie LGBT-Magazinen und Social Media weitere LGBT zu erreichen, wird eine Plakatkampagne auf die neue Meldestelle hinweisen. Die Plakate werden rund um LGBT-Orte (Bars, Restaurants, Partylokale, Cruising-Spots, LGBT-Organisationen, etc.) in der Deutschschweiz aufgestellt. Die Romandie folgt in einer zweiten Welle. Mit diesem Konzept erreicht die Kampagne einerseits gezielt LGBT, spricht aber auch die Heterobevölkerung im öffentlichen Raum an.
Die Kampagne will:
Ab 2017 wird die Meldestelle einmal jährlich sämtliche Vorfälle in einem Diskriminierungs- und Gewaltbericht der Öffentlichkeit und den Behörden zur Verfügung stellen. Gleichzeitig werden alle Vorfälle ab 2017 anonymisiert an die OSZE, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, gemeldet, die sämtliche Hate Crimes in Europa sammelt und publiziert.
Damit will die neue Meldestelle einen Beitrag zur Sicherstellung von wirksamen Mechanismen zur Prävention und Reduktion der Gewalt gegen LGBT-Menschen leisten. Gleichzeitig stärkt sie das Bewusstsein der Öffentlichkeit und der Behörden von Diskriminierungen und Hassverbrechen gegenüber LGBT-Menschen und steigert die Leistungsfähigkeit der Strafverfolgungsbehörden und der Justiz bei der Verfolgung von homo- und transphob motivierter Gewalt.
Unter www.lgbt-helpline.ch/appell fordert die neue Meldestelle den Bundesrat und die Polizeidirektorenkonferenz auf, dass niemand aufgrund der tatsächlichen oder angenommen sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität, des Geschlechtsausdrucks und der Geschlechtsmerkmale verfolgt oder diskriminiert werden darf. Der Appell fordern die Behörden auf, notwendige Massnahmen zu treffen:
[1] Gemäss einer Erhebung im Mai 2013 der European Union Agency for Fundamental Rights, wurden 26-35 Prozent aller LGBT in den vergangenen 12 Monaten angegriffen oder bedroht.
14. November 2016