Bei fast 30 Grad versammelten sich am Samstagnachmittag Tausende auf der Schützenmatte in Bern, um ihre Trauer und ihre Wut angesichts der grauenvollen Situation in Gaza und der Untätigkeit des Bundesrates zum Ausdruck zu bringen. Die Kundgebung zog durch die Altstadt von Bern bis zum Bundesplatz, wo verschiedene Ansprachen gehalten wurden. Mit dabei waren zahlreiche palästinensische Gruppierungen und Menschenrechtsorganisationen, erstmals aber auch Parteien und Gewerkschaften.
Immer mehr internationale Organisationen, darunter auch Amnesty International, bezeichnen die von Israel im Gazastreifen begangenen Taten als Völkermord. Die israelische Armee hat in anderthalb Jahren mehr als 55‘000 Menschen getötet, darunter mindestens 15‘000 Kinder. Seit Monaten blockiert Israel die Lieferung von Hilfsgütern durch internationale Organisationen. Bei den wenigen Lieferungen durch die von den USA und Israel unterstützte Gaza Humanitarian Foundation kommt es immer wieder zu tödlichen Schüssen des Militärs auf die ausgehungerten Zivilist*innen.
International nimmt die Kritik an Israel’s Vorgehen im Gazastreifen zu. Jüngst haben 22 europäische Staaten in einem Schreiben die Blockierung der Hilfslieferungen durch Israel kritisiert. Der Schweizer Bundesrat dagegen bleibt untätig, was zu harscher Kritik aus der Zivilgesellschaft führte. Auch Ex-Botschafter*innen und Mitarbeitende des EDA haben sich mit Appellen an Aussenminister Cassis gewandt – ohne Resultat. Ein Bündnis von knapp 30 Organisationen hatte daher zur nationalen Grossdemonstration aufgerufen.

Die Organisator*innen der Kundgebung fordern den Bundesrat auf:
- Sich aktiv für einen sofortigen, dauerhaften und von der internationalen Gemeinschaft überwachten Waffenstillstand und für die sofortige Aufhebung der Blockade des Gazastreifens einzusetzen.
- Die dokumentierten Kriegsverbrechen Israels klar zu verurteilen und alle Initiativen zu unterstützen, um Zwangsumsiedlungen oder illegale Vertreibungen der Bevölkerung in Gaza und im Westjordanland zu verhindern.
- Unverzüglich die Finanzierung der humanitären Nothilfe für Gaza über die UNRWA wieder aufzunehmen und mindestens die jährlichen Mittel freizugeben, die bis 2023 finanziert wurden.
- Die militärische Zusammenarbeit mit Israel sowie alle sicherheitsrelevanten Exporte sofort einzustellen.
- Ein Verbot für Schweizer Unternehmen zu erlassen, sich an der Besatzung in den palästinensischen Gebieten zu beteiligen. Dies insbesondere in Bezug auf Waffen, Dual-Use-Technologien und Überwachungssysteme.
- Das Recht des palästinensischen Volkes auf kollektive Selbstbestimmung uneingeschränkt anzuerkennen und sich entschlossen für dessen Umsetzung zu engagieren.
- Sich für die Freilassung aller Geiseln und willkürlich inhaftierten Gefangenen in Israel und im besetzten palästinensischen Gebiet einzusetzen, in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht.

Zitate
- Ruth Dreifuss (ehemalige Bundesrätin): «Ich bin in einer jüdischen Familie geboren und stehe, auch wenn ich mich von der Religion losgesagt habe, voll und ganz zu meinem kulturellen und historischen Erbe. Heute werfe ich der israelischen Regierung vor, nicht nur gegen den Terrorismus der Hamas Krieg zu führen, sondern gegen das palästinensische Volk. Ich werfe ihr vor, dass sie Aktionen verfolgt, toleriert und unterstützt, die darauf abzielen, Israel ‚from the river to the sea‘ auszudehnen. Und ich erwarte vom Bundesrat, dass er diese tödliche Politik verurteilt. Es gibt keine Neutralität gegenüber Menschenrechtsverletzungen. Ich kann mich mit der aktuellen Haltung unserer Regierung, an der ich mitwirken durfte, nicht identifizieren.»
- Shirine Dajani (Palestine Solidarity Switzerland PSS): «Demokratie und Vorherrschaft schliessen sich aus. Die Welt darf Israels Apartheid nicht länger verschleiern – sie muss sie verurteilen. Dieses System gefährdet Palästinenser:innen und Jüd:innen. Wahre Sicherheit beginnt mit Gleichheit.»
- Tawfiq Darwish (Ina autra senda und PSS, Palästinenser aus Gaza): «Ich frage mich: Gilt Menschlichkeit nur für manche? Oder auch für uns Palästinenser und Palästinenserinnen, die unter Bomben Hunger und Hoffnungslosigkeit leben?»
- René Simon Meyer (Jüdische Stimme für Demokratie und Gerechtigkeit in Israel/Palästina - JVJP): «Viele Jüdinnen und Juden weltweit sagen heute ganz klar: Nicht in unserem Namen! Als Schweizer Jüdinnen und Juden fordern wir den Bundesrat auf, sich endlich klar für das Völkerrecht und die Menschenrechte in Gaza und in den besetzten Gebieten einzusetzen.»
- Vania Alleva (Schweizerischer Gewerkschaftsbund - SGB/SGB): «Die Passivität unserer Regierung ist nicht akzeptabel. Nicht in unserem Namen. Es ist Zeit aufzuwachen, sich nicht länger zu verstecken, es ist Zeit, alles zu tun, um diese Verbrechen zu stoppen.»
- Lisa Mazzone (Grüne): «Dieser Bundesrat steht seit Beginn dieser humanitären Katastrophe konsequent auf der falschen Seite der Geschichte. Aus dem Mund vom Aussenminister Cassis hörten wir Falschinformationen und Netanjahus Propaganda. Ein solcher Bundesrat hat im Land der Genfer Konventionen keinen Platz. Wir fordern konsequentes humanitäres Handeln.»
- Cédric Wermuth (SP): «Wer jetzt schweigt, macht sich zum Komplizen der rechtsextremen israelischen Regierung Netanjahus. Die Lage der Menschen in Gaza ist unfassbar. Die SP fordert vom Bundesrat, dass er unmissverständlich die Kriegsverbrechen Israels verurteilt. Der Bundesrat muss sich für ein sofortiges Ende der Bombardierungen Gazas einsetzen. Die Blockade muss beendet und die humanitäre Hilfe wieder zugelassen werden.»

Beteiligte Gruppierungen
Palestine Solidarity Switzerland, Jüdische Stimme für Demokratie und Gerechtigkeit in Israel/Palästina JVJP, Amnesty International, Campax, GSoA, SP Schweiz, Gewerkschaft Unia, SGB, Junge Grüne Schweiz, GRÜNE Schweiz, JUSO Schweiz, Das Schweizerische Netzwerk der Gewerkschafter für einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand in Gaza, VPOD, Ina autra senda - Swiss Friends of Combatants for Peace, Gesellschaft für bedrohte Völker, medico international schweiz, Schweizerischer Friedensrat, Forum für Menschenrechte in Israel/Palästina, Fabbrica di Zurigo, Alleanza Verdi Sinistra, BastA Basel, PCE-Punto de encuentro, Alliance Sud, Giovani italiani in rete, L'ANPI Ginevra, Partito Democratico Svizzera, Demokratische Jurist*innen Schweiz, PeaceWomen Across the Globe, Solinetz Zürich, Lupi solidali