«Als öffentlich-rechtliche Anstalt unter Aufsicht des Kantons ist die Universität Bern verpflichtet, die Menschenrechte, insbesondere die Meinungsfreiheit, zu achten, zu schützen und zu gewährleisten. Diese Verantwortung gilt auch dann, wenn sie ihre Räumlichkeiten an Dritte vermietet», sagt Anita Goh, Juristin bei Amnesty International Schweiz.
«Der Entzug der Bewilligung durch die Universität Bern verletzt nicht nur die Meinungsfreiheit der beiden Völkerrechts-Expertinnen, sondern beeinträchtigt auch die Informationsfreiheit der Berner Universitätsgemeinschaft, die damit der Möglichkeit beraubt wird, ihre Analysen und Meinungen zum aktuellen Konflikt zu hören und darüber mit ihnen an ihrer eigenen Universität zu diskutieren», erklärt Anita Goh.
«Der Entzug der Bewilligung durch die Universität Bern verletzt nicht nur die Meinungsfreiheit der beiden Völkerrechts-Expertinnen, sondern beeinträchtigt auch die Informationsfreiheit der Berner Universitätsgemeinschaft.» Anita Goh, Juristin bei Amnesty International Schweiz
Die Universität Bern begründet ihre Entscheidung mit Verlautbarungen von Accounts auf X – darunter solche von Akteuren, die für Positionen bekannt sind, die systematisch im Widerspruch zum universellen Schutz der Menschenrechte stehen – und die sie nur teilweise und aus dem Zusammenhang gerissen zitiert. Amnesty International hält es für problematisch, dass eine öffentliche akademische Institution ein Verbot teilweise auf offensichtlich parteiische Quellen stützt, die für ihre Feindseligkeit gegenüber der Uno-Sonderberichterstatterin bekannt sind.
Francesca Albanese ist eine unabhängige Expertin, die vom Uno-Menschenrechtsrat beauftragt wurde, während Agnès Callamard eine der weltweit führenden Menschenrechtsorganisationen vertritt, die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. «Sie aus dem akademischen Bereich auszuschliessen, ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit und schafft einen beunruhigenden Präzedenzfall für den Pluralismus der Ideen an den Universitäten», stellt Anita Goh fest.
Darüber hinaus unterstützt die offizielle Schweiz das Mandat der Uno-Sonderberichterstatterin und erinnert regelmässig – auch derzeit in ihrer Eigenschaft als Präsidentin des Menschenrechtsrats – daran, dass die Unabhängigkeit der Mandatsträger*innen zu respektieren ist. Dieser Grundsatz sollte auch für die Universität Bern gelten, die dafür sorgen sollte, dass die Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit dieser Uno-Mandate nicht in Frage gestellt werden.
Amnesty International erkennt die Bedeutung der Bekämpfung von Hassrede, die zu Gewalt, Feindseligkeit oder Diskriminierung aufruft. Die Erörterung des israelisch-palästinensischen Konflikts und seine völkerrechtlichen Auswirkungen kann jedoch nicht als solche betrachtet werden und rechtfertigt kein Verbot einer Veranstaltung, die der Erörterung von Themen von grossem öffentlichen Interesse dient.
«Wir ermutigen die Hochschulen, ihre internen Vorschriften im Lichte internationaler Standards zu überprüfen, um die Äusserung kritischer politischer Meinungen in ihren Reihen zu ermöglichen, auch wenn es um die Menschenrechte der Palästinenser*innen und die dramatische Situation in Gaza geht», erklärt Michael Ineichen, Advocacy-Verantwortlicher bei Amnesty Schweiz.
«Amnesty International fordert die Universität Bern auf, ihre Entscheidung zu überdenken und ihr Engagement für die Menschenrechte und die akademische Freiheit zu bekräftigen», sagt Michael Ineichen.
Die Meinungsfreiheit umfasst das Recht, Informationen und Ideen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten, auch wenn sie unangenehm sind. Die Behörden sind verpflichtet, ein Umfeld zu gewährleisten, in dem dieses Menschenrecht ohne Repressalien und ungerechtfertigte Einschränkungen ausgeübt werden kann. Jede Einschränkung muss notwendig, verhältnismässig und auf legitimen Kriterien beruhen, nicht auf politischen Erwägungen oder Stereotypen.
Amnesty International ist besorgt über die zunehmende Zahl von Verboten und Absagen von Veranstaltungen in Solidarität mit den Rechten der Palästinenser*innen in ganz Europa. Dieser Trend schafft ein Klima der Zensur und Selbstzensur, das mit dem Recht auf freie Meinungsäusserung und friedlicher Versammlung unvereinbar ist.
Kritik an der Politik des Staates Israel, auch im Zusammenhang mit Apartheid, Besatzung und Völkermord, stellt keine Hassrede dar. Diese Meinungen sind durch das Völkerrecht geschützt.
Medienmitteilung 2. Juli 2025, Bern – Medienkontakt