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AMNESTY-Magazin Juni 2025 – USA

Von wegen freie Rede

Die Trump-Regierung greift die Medien genauso an wie Forschungsinstitutionen oder unliebsame Behörden – und das ausgerechnet mit dem Argument der Meinungsfreiheit.

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Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten markiert nicht nur den Beginn einer neuen politischen Ära, sondern schlägt auch ein neues Kapitel in der Geschichte der US-Medien auf. Und es ist der Start der Angriffe gegen Europa, dem unter dem Begriff «Free Speech» Zensur vorgeworfen wird.

Im Wahlkampf spielte der amerikanische Journalismus nur eine Randrolle, die klassischen Medien wurden längst von den Influencer*innen und dem Infotainment verdrängt. Die Journalist*innen beschränkten sich auf das Fact-Checking selbst des letzten Unsinns, den die Kandidat*innen verbreiteten. Schlimmer noch: Die traditionellen Medien wurden vom künftigen Präsidenten instrumentalisiert. Donald Trump wurde letztlich nicht trotz seines Antagonismus zu den Nachrichtenmedien gewählt, sondern gerade, weil er sie zu seinem designierten Feindbild gemacht hatte.

In diesem Antagonismus geht es Präsident Trump mehr um Rache, denn um eine politische Agenda. Das zeigt sich an der Heftigkeit, mit der er Medien, allen voran die Nachrichtenagentur Associated Press, angreift. Wie kann man Leute ernst nehmen, die Journalist*innen aus dem Presseraum verbannen, weil sie den Begriff «Golf von Amerika» nicht verwenden? Präsident Trumps Politik ist ein Witz, doch hat sie grosse Auswirkungen auf die Zukunft der Demokratie.

Am 6. Februar kündigte Elon Musk als Chef der Abteilung für Regierungseffizienz DOGE per Tweet an, dass die Zeitungsabonnemente der amerikanischen Botschaften gekündigt werden. Dann wurde am 14. März die Finanzierung des amerikanischen Auslandsrundfunks gestoppt, dabei sind Kanäle wie Voice of America, Radio Free Europe oder Radio Free Asia nicht nur Instrumente der amerikanischen Soft Power, sondern auch die wichtigste zuverlässige Informationsquelle für Millionen Menschen in repressiven Regimen.

Donald Trump hat gewonnen. Seine Kritiker*innen analysieren jetzt seine Medienstrategie und ziehen ihre Lehren daraus. Populistische Politiker*innen weltweit nutzen nun Trumps «Handbuch» und machen es ihm nach.

Der US-Präsident missbraucht mit der Forderung nach «Free Speech» die Meinungsfreiheit, die gerade in den USA immer wieder beschworen wird. In Folge der Kritik an Europa durch den US-Vizepräsidenten J. D. Vance an der Münchner Sicherheitskonferenz am 14. Februar 2025 riefen die europäischen Staats- und Regierungschefs dazu auf, die Meinungsfreiheit zu verteidigen, die in Gefahr sei. Eine seltsame Zeit, in der Bürger*innen, Politiker*innen und auch die Journalist*innen selbst die Verteidigung der Meinungsfreiheit in den Fokus stellen, in der aber niemand von der Pressefreiheit spricht.

Es scheint, als müsste man sich zwischen Meinungsfreiheit und Pressefreiheit entscheiden. Dabei gibt es keinen Widerspruch zwischen beidem und keinen Zwang, das eine gegenüber dem anderen zu bevorzugen. Die Meinungsfreiheit wäre denn auch sinnlos, wenn Inhalte nicht auf Fakten und damit auf Journalismus beruhen würden. Eine anspruchsvolle Gesellschaft kann von diesen Rechten nur profitieren, die in vielen Verfassungen verankert sind. «Free Speech» ist eine Falle, lassen wir uns nicht täuschen.