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AMNESTY-Magazin Juni 2025 – USA

Widerstand der Institutionen

Im Zuge seines autoritären Umbaus des Staates greift Präsident Trump auch Institutionen des Wissens und des Rechts an, wie etwa die Universität Harvard oder das Nationale Gesundheitsinstitut. Nach dem ersten Schock regt sich Widerstand von innen.

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Der «Marsch durch die Institutionen» war vor gut fünfzig Jahren eine Strategie der Linken, um gesellschaftlichen Wandel in bestehende Einrichtungen zu bringen und diese gerechter und inklusiver zu machen. Das Vorhaben veränderte sowohl die Institutionen wie auch die linken Reformer*innen auf nachhaltige Weise. Was die US-Regierung zurzeit den Universitäten, Forschungsinstituten, Medien und Anwaltskanzleien antut, ist alles andere als ein neuer Marsch durch die Institutionen von rechts. Es ist ein Panzerangriff.

Die günstigste Zeit für Widerstand gegen solchen Autoritarismus sei immer heute, nicht erst morgen. Das sagen Leute, die das aus eigener Erfahrung wissen. In den USA sind es Stimmen wie der ehemalige russische Schachweltmeister und heutige Menschenrechtsaktivist Garri Kasparow oder die Putin-kritische russisch-amerikanische Journalistin Masha Gessen, die die amerikanischen Bürger*innen und Institutionen besonders eindringlich auffordern, möglichst rasch und entschieden gegen den Machtmissbrauch und für die Demokratie zu kämpfen. Bevor die Rechtlosigkeit, die zurzeit beim Thema Migration bereits scharf durchgespielt wird, noch mehr überhandnimmt.

Das Rad zurückdrehen

Gegen Übergriffe der neuen Regierung haben US-Bundesstaaten, Universitäten, Anwaltskanzleien, Medien, Gewerkschaften und Einzelpersonen bereits Hunderte von Rechtsklagen eingereicht. Die Anti-Oligarchie-Tournee von Bernie Sanders und Alexandria Ocasio- Cortez findet auch in republikanischen Regionen Zuspruch. Und Ende März protestierte der Schwarze Senator Cory Booker mit einem vielbeachteten 25-Stunden-Auftritt gegen Donald Trumps Maga-Politik. Die Marathonrede stellte einen kleinen symbolischen Sieg dar: Bookers Aufruf zum Widerstand war gut eine Stunde länger als die rassistische Tirade von Strom Thurmond gegen den Civil Rights Act von 1957, ein Bürgerrechtsgesetz, das Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Religion, Geschlecht oder nationaler Herkunft verbietet.

Donald Trump möchte das Rad der Zeit in die McCarthy-Ära zurückdrehen, in die Jahre des Misstrauens, der Denunziation und der Verschwörungstheorien

Donald Trump allerdings möchte das Rad der Zeit in die McCarthy-Ära zurückdrehen, in die Jahre des Misstrauens, der Denunziation und der Verschwörungstheorien. Diejenigen US-Institutionen, die seither offener – das heisst weniger sexistisch, rassistisch und behindertenfeindlich – geworden sind, sieht Donald Trump als «ideologisch unterwandert» an. Per Dekret erklärte er, jegliche institutionelle DEI sei «illegal». DEI steht für Diversity, Equity, Inclusion, also soziale Vielfalt, Gerechtigkeit und Inklusion. Was in den meisten Demokratien als wichtiger Wert, ja als Menschenrecht akzeptiert wird, definiert Donald Trump in den USA als gesetzeswidrig.

Der Kampf gegen DEI ist für die Maga-Regierung gleichzeitig ein wichtiges Mittel, um Trump-kritische Personen und Institutionen loszuwerden. Zehntausende von Beschäftigten im öffentlichen Sektor sind bereits entlassen worden. Ende März ist die Schliessung der US-Agentur für internationale Entwicklung angekündigt worden – mit drastischen Auswirkungen für Millionen Menschen weltweit, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind.

Forschung als Feindbild

Ein besonderer Dorn im Auge des autokratischen Präsidenten aber sind die unabhängig organisierten, jedoch hoch subventionierten Institutionen der höheren Bildung. Donald Trump sieht die Colleges und Universitäten als konkurrenzierende Machtzentren, die über viel Geld, Wissen und Prestige verfügen. Mit scharfen Anti-DEI-Direktiven sollen die widerspenstigen Denkfabriken unter Kontrolle gebracht werden. Manche von ihnen versuchten sich zunächst anzupassen. Die Biomediziner*innen des weltweit renommierten Nationalen Gesundheitsinstituts der USA (NIH) zum Beispiel haben ihre Forschungsberichte systematisch nach Reizwörtern der neuen Regierung wie «Diversität», «Gender», «Inklusion» und sogar «Frauen» durchgeforstet. Sie hofften, mit der Streichung dieser Begriffe überlebenswichtige staatliche Forschungsgelder sichern zu können. Die Sprachsäuberung war nicht einfach, denn Disparitäten bei der Gesundheitsversorgung haben erfahrungsgemäss mit den nun «verbotenen» Kategorien wie Ethnie, Gender oder sozialer Status zu tun. So wie in einer geplanten NIH-Studie über häusliche Gewalt während der Schwangerschaft, der die Finanzierung verweigert worden ist. Die leitende Forscherin vermutet, weil «Gleichberechtigung » im Titel stand.

Auch die renommierte Columbia University in New York versuchte es mit Beschwichtigung als Donald Trump Anfang März 400 Millionen Dollar Bundesgelder strich mit der Begründung, die Hochschule bekämpfe den Antisemitismus – gemeint sind die propalästinischen Proteste – auf ihrem Campus nicht entschieden genug. Die Verwaltung der Universität akzeptierte in der Folge eine ganze Reihe von Trump- Forderungen und gelobte «mehr institutionelle Neutralität». Die Uni erlaubte – entgegen dem Protest vieler Student*innen und Lehrkräfte – mehr Sicherheitspersonal auf dem Campus und sogar eine externe Aufsicht über gewisse Studienfächer wie Kurse über Afrika sowie über den Nahen und Fernen Osten. Doch noch immer wartet die Columbia University auf die Freigabe der blockierten Gelder.

«Keine Regierung – egal welche Partei an der Macht ist – sollte diktieren, was private Hochschulen lehren können und wen sie zum Studium zulassen.» Alan Garber, Präsident der Harvard-University

Im Gegensatz zu Columbia wählte Harvard, eine der ältesten Eliteuniversitäten der USA, nach zum Teil heftigen internen Diskussionen die offene Konfrontation. «Die Universität wird ihre Unabhängigkeit nicht aufgeben und nicht auf ihre Grundrechte verzichten», schrieb Harvard-Präsident Alan Garber am 14. April an Donald Trump. «Keine Regierung – egal welche Partei an der Macht ist – sollte diktieren, was private Hochschulen lehren können und wen sie zum Studium zulassen.» Donald Trumps Reaktion auf den Widerspruch war unerbittlich. Nicht nur fror der Präsident Fördergelder in Milliardenhöhe ein. Er setzt nun alles daran, Harvard den steuerlichen Sonderstatus für Hochschulen zu entziehen. Harvard hat Klage gegen Präsident Trump eingereicht. Nun liegt die Entscheidung auch hier – wie bei Hunderten von widerständigen US-Institutionen und Personen – bei der ziemlich überforderten Justiz. Bereits droht der nächste Angriff: Die US-Regierung hat Harvard Ende Mai untersagt, Student*innen aus dem Ausland aufzunehmen.

Politisch hatte Harvards Auflehnung unmittelbare Wirkung. Alan Garbers Appell beschleunigte und verstärkte den Widerstand in den rund sechzig anderen Bildungsinstitutionen, die ebenfalls DEI-Warnbriefe erhalten hatten. Rund 500 Universitätsangestellte protestierten mit ihrer Unterschrift gegen «den Übergriff der Regierung und die politische Einmischung, welche die höhere Bildung in den USA gefährden». Zwei Professoren entwarfen einen «gegenseitigen Verteidigungsvertrag», den sie etwas hochgestochen mit der Nato vergleichen. Mehr als ein Dutzend grosse Universitäten haben den Aufruf zur Solidarität und zur ganz praktischen, etwa rechtlichen Beihilfe in Krisensituationen bereits unterschrieben.

«Wir betrachten jeden Angriff auf eines unserer universitären Mitglieder als Angriff auf alle von uns», heisst es in dem Anti-Trump-Bündnis der Hochschulen. Es ist zu hoffen, dass sich diese Geisteshaltung in der Zivilgesellschaft und den Institutionen der USA weiter ausbreitet.