Am 14. Dezember 2023 gaben der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador und Vertreter*innen des Innenministeriums die Ergebnisse der «Suchstrategie für verschwundene Personen» bekannt.
Zu dieser Strategie gehört auch die Aktualisierung der Zahlen der landesweit verschwundenen Personen, die vom Nationalen Register über Verschwundene Personen (Registro de Personas Desaparecidas y no localizadas, RNPDNO) erfasst werden. Die Regierungsbehörden haben eine vergleichsweise geringe Zahl der verschwundenen und vermissten Personen angegeben und das Schicksal von 80'000 Personen als unklar eingestuft, da sie nicht über genügend Daten verfügten, um sie zu suchen.
Die «Suchstrategie für verschwundene Personen» könnte sich auf die Suche nach Opfern von Verschwindenlassen und vermissten Menschen auswirken, insbesondere auf die unermüdliche Arbeit der von Organisationen der Familienangehörigen von Verschwundenen, die deren Schicksal aufklären wollen. Laut den Familien-angehörigen und den sie unterstützenden Menschenrechtsorganisationen wurde die «Suchstrategie für verschwundene Personen» weder konsultiert noch mit den im Land tätigen Organisationen, die sich für Verschwundene einsetzen, abgestimmt, was ernsthafte Zweifel an der Art und Weise aufkommen lässt, wie die verschwundenen und vermissten Personen gezählt werden. So sind fast 80'000 Personen, die im August 2023 als verschwunden bzw. vermisst galten, in der Aktualisierung vom Dezember 2023 nicht eindeutig kategorisiert.
Darüber hinaus haben die jüngsten Änderungen in der Nationalen Suchkommission (CNB), der für die Suche nach Vermissten und Verschwundenen zuständigen Regierungsbehörde, die Suche nach den Hunderttausenden von Vermissten und Verschwundenen im Land behindert. Die neue Strategie der mexikanischen Regierung scheint eher darauf abzuzielen, zu zeigen, dass sich das Problem des Verschwindenlassens in Mexiko verbessert und dass es keine so ernste Krise gibt, als die verschwundenen und vermissten Personen zu finden.
Gemäss dem Internationalen Übereinkommen der Vereinten Nationen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen und anderen internationalen Abkommen haben die Familien von Verschwundenen unter anderem das Recht auf Wahrheit und wirksame Ermittlungen sowie das Recht, Informationen zu suchen, zu erhalten und weiterzugeben. Dies umfasst die Beteiligung von Opfern, Organisationen und Expert*innen an Suchmassnahmen, einschliesslich Mechanismen zur Bereitstellung und Sammlung von Daten über Verschwundene.
Die Zahl der vermissten bzw. dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallenen Personen ist in Mexiko weiterhin hoch. Im Jahr 2023 registrierte die Nationale Suchkommission (CNB) mindestens 12.031 neue Fälle von vermissten Personen bzw. Opfern des Verschwindenlassens, darunter 8'426 Männer, 3'596 Frauen und 9 Unbekannte. Nach offiziellen Angaben wurden zwischen 1962 und Ende 2023 insgesamt 114'004 Personen als vermisst bzw. als Opfer des Verschwindenlassens registriert. Angehörige, die nach verschwundenen und vermissten Personen suchten, waren ernsthaften Gefahren ausgesetzt, sie werden bedroht, selbst Opfer des Verschwindenlassens oder getötet.
Im Mai 2023 startete die mexikanische Regierung eine fragwürdige Strategie, um die Krise des Verschwindenlassens in Mexiko anzugehen. Am 23. August 2023 trat die Leiterin der CNB, Karla Quintana, zurück, nachdem der Präsident eine neue Zählung über das Verschwindenlassen angekündigt hatte, mit der Begründung, die Zahlen der CNB seien unzuverlässig und zu hoch. Zivilgesellschaftliche Organisationen und Aktivist*innen befürchteten, dass die Regierung versuchte, die offizielle Zahl der Verschwundenen zu senken, um das Versagen der staatlichen Sicherheitspolitik zu verschleiern. Am 23. Oktober 2023 wurde Teresa Guadalupe Reyes Sahagún zur neuen Leiterin der CNB ernannt; zivilgesellschaftliche Organisationen äusserten sich besorgt über den Mangel an Konsultation, Partizipation, Transparenz und Kontrolle im Einstellungsprozess sowie über ihre mangelnde Erfahrung.
Am 14. Dezember präsentierte die Regierung die Ergebnisse der neuen Zählung der Verschwundenen, die «Suchstrategie für verschwundene Personen», mit der die offizielle Zahl der Verschwundenen und Vermissten zwischen 1962 und August 2023 verringert wurde. Es wurde deutlich, dass nicht genügend Informationen für die Suche nach 79'955 Personen vorlagen und diese in unklare Kategorien eingeteilt wurden. Am 18. Dezember 2023 protestierten Organisationen von Familienangehörigen verschwundener und vermisster Personen gegen die neue Nationale Suchstrategie und prangerten mangelnde Transparenz und mögliche Manipulationen von Daten an. Am 27. Dezember 2023 verteidigten die Regierungsbehörden die Nationale Suchstrategie. Die Bedenken gegen die Erhebung der Opferzahlen und den Abbau von Einrichtungen, die sich mit der Suche nach Hunderttausenden von Menschen im Land befassen, bestehen jedoch fort.