Willie Pye soll am 20. März 2024 im US-Bundesstaat Georgia hingerichtet werden. Der heute 58-Jährige wurde für einen 1992 im Alter von 27 Jahren begangenen Mord zum Tode verurteilt. Im Jahr 2021 hoben die Bundesrichter*innen das Todesurteil auf, weil Willie Pye‘s Anwalt es versäumt hatte, Beweismaterial für dessen deutlich unterdurchschnittliche intellektuelle Fähigkeiten und seine traumatische Kindheit zu recherchieren und vorzulegen. Diese Entscheidung wurde in der Berufung aufgehoben. Seine Anwält*innen haben Beweise dafür vorgelegt, dass er geistig eingeschränkt ist. Doch aufgrund der in Georgia geltenden Vorschrift, dies «zweifelsfrei» beweisen zu müssen, wurde sein Todesurteil aufrechterhalten.
Willie Pye soll am 20. März 2024 im US-Bundesstaat Georgia hingerichtet werden. Dies wäre die erste Hinrichtung in Georgia seit vier Jahren.
Seit 2002 ist die Hinrichtung von Menschen mit «geistiger Behinderung» in den USA verfassungswidrig. Im Gegensatz zu allen anderen Bundesstaaten der USA muss in Georgia eine solche Beeinträchtigung zweifelsfrei nachgewiesen werden. Es ist unbestritten, dass Willie Pye mit einem IQ von 68 eine deutlich unterdurchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit aufweist. Die Sachverständigen des Bundesstaates und der Verteidigung sind sich einig, dass Willie Pye Anpassungsschwierigkeiten aufweist – das zweite Kriterium bei der Feststellung einer «geistigen Behinderung» –, aber der*die Sachverständige des Bundesstaates bestritt, dass die Anpassungsschwierigkeiten den erforderlichen Standard erfüllen, obwohl sie «jeden Tag seine Fähigkeit beeinträchtigen, in der Gemeinschaft zu funktionieren». Aufseiten der Verteidigung hat eine Expertin für «geistige Behinderung» aufgrund ihrer eigenen Tests keinen Zweifel daran, dass Willie Pyes Defizite dieses zweite Kriterium erfüllen.
1989, sieben Jahre vor der Verurteilung von Willie Pye, entschied der Oberste Gerichtshof der USA, dass der Nachweis einer «geistigen Behinderung» ein Faktor ist, der «die Schuld eines Angeklagten an einem Kapitalverbrechen durchaus mindern kann», und damit «eine individuelle Entscheidung darüber getroffen werden kann, ob der Tod die angemessene Strafe ist» und dass diejenigen, die ein Strafmass bestimmen, in die Lage versetzt werden müssen, «mildernde Umstände wegen [einer geistigen Behinderung] bei der Verhängung der Strafe zu berücksichtigen». Bei der Strafzumessung von Willie Pye waren die Geschworenen nicht in der Lage, dies zu tun, da sie keine Beweise für seine geringe geistige Leistungsfähigkeit gehört hatten. Der Grund dafür war, dass der Verteidiger es versäumt hatte, dies gründlich zu prüfen und auch das Entlastungsmaterial zu seinem mentalen Zustand so gut wie nichts über die traumatische Kindheit von Willie Pyes enthielt, die von schwerem Missbrauch, Entbehrungen und Vernachlässigung geprägt war. Ein Gremium aus drei Richter*innen des 11. Bezirks kam 2021 zu dem Schluss, dass die Vertretung durch den Anwalt eindeutig verfassungswidrig war und über Willie Pyes Strafmass neu entschieden werden müsse. Doch die Gesamtheit der Richter*innen befand dagegen – nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern wegen einer Rechtsformalität.
Seit 1976 gab es in den USA 1.584 Hinrichtungen. Auf den Bundesstaat Georgia entfallen 76 davon, die letzte wurde dort am 29. Januar 2020 durchgeführt. Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und uneingeschränkt ab. Laut internationalen Menschenrechtsnormen und -standards müssen alle, denen die Todesstrafe droht, «in allen Prozessphasen Zugang zu angemessener rechtlicher Vertretung» haben, und Verstösse gegen das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren wie in Artikel 14 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte verbrieft, machen ein Todesurteil zu einem willkürlich verhängten Strafmass. Auch das Völkerrecht verbietet die Hinrichtung von Menschen mit «geistiger Behinderung».