Die anhaltende rechtswidrige und willkürliche Inhaftierung des Aktivisten Ecevit Piroğlu in Serbien gibt Anlass zu grosser Sorge. Seit Beginn seines Hungerstreiks am 12. Februar hat er keine angemessene medizinische Versorgung erhalten und sein Zustand hat sich massiv verschlechtert.
Ecevit Piroğlu wurde im Juni 2021 aufgrund eines Auslieferungsersuchens der türkischen Behörden erstmalig festgenommen. Das Auslieferungsverfahren wurde schliesslich im Mai 2023 eingestellt, nachdem das Berufungsgericht in Belgrad entschieden hatte, dass er nicht an die Türkei ausgeliefert werden darf. Nachdem er zwischenzeitlich freikam, wurde Ecevit Piroğlu im Januar 2024 erneut festgenommen. Er wird momentan – trotz der Ablehnung des türkischen Auslieferungsersuchens – in einer Hafteinrichtung für Asylsuchende in Padinska Skela festgehalten. Grundlage hierfür ist eine Entscheidung des Innenministeriums. Es besteht die begründete Befürchtung, dass er noch immer von der Abschiebung in die Türkei bedroht ist oder dass seine Inhaftierung auf unbestimmte Zeit andauern könnte.
Der Aktivist Ecevit Piroğlu ist türkischer Staatsbürger, einer der Gründer der Sozialdemokratischen Partei und gehört der kurdischen Minderheit an. Er wurde im Juni 2021 auf dem internationalen Flughafen von Belgrad von den serbischen Behörden festgenommen, nachdem die türkischen Behörden einen internationalen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt hatten. Zuvor war in der Türkei ein Strafverfahren gegen ihn wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in einer «terroristischen Vereinigung» eingeleitet worden. Während des Auslieferungsverfahrens war Ecevit Piroğlu bis Juni 2022 in einem Gefängnis in Belgrad inhaftiert. Später wurde er in die für Migrant*innen ohne regulären Aufenthaltsstatus vorgesehene Hafteinrichtung für Asylsuchende verlegt, wo er sich bis heute befindet.
Ecevit Piroğlus Antrag auf Asyl in Serbien wurde im August 2022 ohne nennenswerte Prüfung abgelehnt, auch nach seinem Einspruch bei der Asylkommission. Anstatt Ecevit Piroğlu nach dieser Ablehnung die von ihm gewünschte Ausreise aus Serbien zu gestatten, ordnete das Innenministerium seine erneute Festnahme im Januar 2024 an. Er kam erneut in Abschiebehaft, diesmal mit dem Argument, Ecevit Piroğlu halte sich illegal in Serbien auf, eine Behauptung, die seine Rechtsbeistände bestreiten.
Angesichts der Aussicht auf eine unbefristete Haft in Serbien trat Ecevit Piroğlu am 12. Februar in einen Hungerstreik, um gegen seine anhaltende Inhaftierung zu protestieren. Am 9. Mai wog er nur noch 50 Kilogramm, sein Gesundheitszustand verschlechtert sich rapide und er fühlt sich immer schwächer. Die Familie von Ecevit Piroğlu konnte ihn kürzlich in der Haftanstalt besuchen und äusserte sich sehr besorgt über seinen Gesundheitszustand.
Es besteht die begründete Sorge, dass Ecevit Piroğlu weiterhin auf unbestimmte Zeit und ohne Zugang zu einem wirksamen Rechtsbehelf in Abschiebehaft gehalten werden könnte. Seine Einsprüche gegen die Inhaftierung wurden von den Behörden nicht bearbeitet, und seine Haftanordnung wurde bereits einmal verlängert. Nach serbischem Recht könnte Ecevit Piroğlu höchstens bis zum 9. Juli 2024 in Abschiebehaft gehalten werden, aber die serbischen Behörden haben sich in der Vergangenheit nicht an solche rechtlichen Beschränkungen gehalten.
Auch wenn der Auslieferungsantrag der Türkei von einem serbischen Gericht abgelehnt wurde, besteht weiterhin die Gefahr, dass Ecevit Piroğlu im Rahmen eines Abschiebeverfahrens in die Türkei oder einen Drittstaat (der ihn dann in die Türkei abschieben könnte) abgeschoben werden könnte. Dies wäre ein Verstoss gegen die völkerrechtlichen Verpflichtungen Serbiens, Personen nicht in ein Land abzuschieben, in dem ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Es gibt bereits Präzedenzfälle, in denen Serbien ausländische Staatsangehörige im Rahmen von bilateralen Kooperationsabkommen und unter Verletzung von einstweiligen Massnahmen des UN-Ausschusses gegen Folter ausgeliefert hat. Angesichts der politischen Lage in der Türkei und des besonderen Risikos für Angehörige der kurdischen Minderheit und Aktivist*innen besteht für Ecevit Piroğlu ein reales Risiko schwerer Menschenrechtsverletzungen, einschliesslich willkürlicher Inhaftierung, unfairer Gerichtsverfahren sowie Folter und anderer Misshandlungen.