Ausländischen Studierenden droht in den USA zunehmend Repression, Inhaftierung und mögliche Abschiebung, wenn sie an Protesten teilnehmen, die sich gegen die anhaltenden Kriegsverbrechen und den Völkermord im besetzten Gazastreifen richten und auf denen sich für die Rechte von Palästinenser*innen eingesetzt wird.
Nach der Festnahme von Mahmoud Khalil am 8. März und dem Entzug seines Aufenthaltsstatus hat die US-Regierung weiteren sieben Personen die Studentenvisa widerrufen. Bei mindestens zwei weiteren Studierenden, die gegen den Konflikt im besetzten Gazastreifen protestiert oder sich kritisch dazu geäussert hatten, ist dieser Vorgang noch nicht abgeschlossen. Grundlage für die Massnahme ist eine selten angewandte Bestimmung im Einwanderungsrecht. Berichten zufolge wurde mindestens 1'300 weiteren Studierenden das Visum entzogen. Viele von ihnen wurden jedoch weder über die Rücknahme informiert, noch haben sie sich an Protesten oder anderen Aktivitäten auf dem Campus beteiligt. Einige wurden möglicherweise zur Zielscheibe, weil sie kleinere Vergehen wie Verkehrsverstösse begangen haben. Laut einer im Namen von zwei Studierenden in Kalifornien eingereichten Klage wurden viele Betroffene aufgrund ihres Herkunftslandes oder ihrer Religion zur Zielscheibe. Dies gelte insbesondere für Menschen aus afrikanischen, arabischen oder asiatischen Ländern oder aus dem Nahen Osten und/oder mit muslimischem Hintergrund.
Solch repressives Vorgehen und der breite Entzug des sicheren Aufenthaltsstatus von Menschen, sei es aufgrund ihrer Rede- und Protestaktivitäten oder ihres Herkunftslandes, zeugen von einer völligen Missachtung ihrer Menschenrechte. Alle Studierenden, Lehrkräfte und sonstige Universitätsangehörige haben das Recht auf freie Meinungsäusserung, friedliche Versammlung und ein ordnungsgemässes Verfahren sowie das Recht, nicht diskriminiert zu werden.
Am 8. März 2025 nahmen Angehörige des US-Heimatschutzministeriums in Zivil Mahmoud Khalil in seiner Wohnung auf dem Universitätscampus fest. Mahmoud Khalil ist ein palästinensischer Aktivist und Absolvent der New Yorker Columbia University, der sich aktiv am Solidaritätscamp für Gaza an der Universität beteiligte, wo er als Verhandlungsführer mit der Hochschulleitung fungierte und mit der Presse sprach. Er hat ausserdem seinen rechtmässigen dauerhaften Wohnsitz in den USA. Etwas später wurde die Festnahme von neun weiteren ausländischen Studierenden bekannt, die an Protesten teilgenommen oder sich gegen den Krieg im besetzten Gazastreifen und die Rolle der USA beim anhaltenden Völkermord an den Palästinenser*innen in Gaza ausgesprochen hatten. Sieben von ihnen wurde das Visum entzogen und/oder der Aufenthaltsstatus aberkannt. Zwei der Visuminhaber*innen beschlossen, das Land zu verlassen, um sich nicht den unmenschlichen Bedingungen in den Haftanstalten für Migrant*innen oder einer möglichen Abschiebung auszusetzen. Ein Video zeigt, wie eine Doktorandin Ende März auf der Strasse in der Nähe ihrer Wohnung von sechs Beamt*innen der Einwanderungsbehörde in Zivil – manche maskiert – abgefangen und in ein Auto ohne Kennzeichen gesetzt wird. Die Beamt*innen weigerten sich Berichten zufolge so lange, sich auszuweisen, bis sie festgenommen worden war. Die Doktorandin war Mitverfasserin eines Meinungsartikels in einer Unizeitung, in dem sie die fehlende Reaktion ihrer Universität auf die Forderungen von protestierenden Studierenden in Bezug auf den Völkermord in Gaza kritisierte. Ein Sprecher des US-Heimatschutzministeriums behauptete später, die Studentin habe «Aktivitäten zur Unterstützung der Hamas» durchgeführt, ohne dafür Beweise zu liefern. Ein anderer Student mit einer dauerhaften Aufenthaltsberechtigung, der an der Columbia University pro-palästinensische Proteste organisiert hatte, wurde von Beamt*innen der Einwanderungsbehörde festgenommen, als er zu einem Gespräch im Rahmen seines Antrags auf die US-Staatsbürgerschaft erschien.
Am 27. März gab US-Aussenminister Marco Rubio bekannt, dass er seit Januar die Visa von mindestens 300 Studierenden und anderen Besucher*innen des Landes zurückgezogen habe. Er behauptete, die Betroffenen hätten «Universitäten verwüstet, Studierende belästigt, Gebäude besetzt und Krawall gemacht», ohne dafür Beweise zu liefern. Aus neueren Berichten geht hervor, dass mindestens 1'300 Studierenden das Visum entzogen wurde. Viele der betroffenen Studierenden geben an, dass sie nie an Protesten teilgenommen haben und auch nie über den Entzug ihres Visums informiert worden seien. Einige hatten während ihres Aufenthalts aus geringfügigen Gründen (z. B. wegen eines Strafzettels) mit der Polizei zu tun.
Die US-Regierung verfügt über einen grossen Ermessensspielraum bei der Verweigerung von Visa für Antragsteller*innen, die sich im Ausland aufhalten. Sobald sich jedoch jemand in den USA aufhält, ist die Person durch die US-Verfassung geschützt. Diese garantiert auch das Recht auf freie Meinungsäusserung und ein ordnungsgemässes Verfahren. Alle Menschen haben unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus das Recht auf freie Meinungsäusserung, friedliche Versammlung und ein ordnungsgemässes Verfahren sowie das Recht, nicht diskriminiert zu werden. Studierende, die sich weigern, ihr Studium abzubrechen und das Land zu verlassen, oder die von den Einwanderungsbehörden festgehalten werden, laufen Gefahr, in den Gefängnissen der US-Einwanderungsbehörden festgehalten zu werden, die laut Amnesty International nicht den internationalen Standards entsprechen.
Im Rahmen eines von Präsident Trump erlassenen Dekrets zur Bekämpfung von Antisemitismus macht die US-Regierung geltend, dass sie über weitreichende Befugnisse im Rahmen einer selten genutzten Regelung des Einwanderungsrechts verfügt, um Visa und Aufenthaltsgenehmigungen aus aussenpolitischen Gründen zu widerrufen und ausländische Studierende, die an Protesten gegen den anhaltenden Konflikt im besetzten Gazastreifen teilgenommen haben, auszuweisen. Das Gesetz 8 USC 1251(a)(4)(C)(i) erlaubt es dem Aussenminister, jede Person ohne US-Staatsbürgerschaft auszuweisen, bei der die begründete Annahme besteht, dass ihre «Anwesenheit oder Aktivitäten ... potenziell schwer-wiegende nachteilige aussenpolitische Folgen für die Vereinigten Staaten haben kann». Einem von Einwanderungsanwält*innen, Juraprofessor*innen und Wissenschaftler*innen zur Unterstützung von Mahmoud Khalil eingereichten Amicus-Curiae-Schriftsatz zufolge gab es seit der Verabschiedung des geltenden Gesetzes im Jahr 1990 rund 11,7 Millionen Fälle zurückgezogener Aufenthaltstitel. In nur 15 dieser Fälle wurde das Gesetz 8 USC 1251(a)(4)(C)(i) angewandt, und nur in vier Fällen wurde auf dieser Grundlage die Abschiebung angeordnet. Darüber hinaus hat das US-Justizministerium eine gemeinsame Task Force zur Bekämpfung von Antisemitismus eingerichtet, um antisemitische Übergriffe in Schulen und auf dem Campus zu unterbinden. Diese Task Force kündigte im Rahmen ihrer Ermittlungen Besuche an bestimmten Universitäten an. Ausserdem sollen Bundeszuschüsse einbehalten und Verträgen mit Universitäten aufgekündigt werden, die die Bürgerrechte jüdischer Studierender nicht geschützt haben.
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Antisemitism Executive Order Wrongly Targets Students Exercising Rights to Free Expression (Amnesty USA, 31 January 2025)