Die anhaltende Inhaftierung von Rita Karasartova gibt Anlass zu grosser Sorge. Die Menschenrechtsverteidigerin wurde am 14. April nach der Durchsuchung ihres Hauses festgenommen und befindet sich seither in Haft. Am 8. Juli 2025 wurden die Ermittlungen abgeschlossen und sie offiziell wegen der «Organisation von Massenunruhen» (Paragraf 278 des Strafgesetzbuchs) und wegen «Aufrufen zur gewaltsamen Machtergreifung» (Paragraf 327) angeklagt. Vermeintlich wegen sensibler politischer Infor-mationen wurden die Unterlagen des Strafverfahrens als geheim eingestuft. Dies bedeutet, dass Medien, Öffentlichkeit und unabhängige Beobachter*innen von ihrem Verfahren ausgeschlossen sind.
Eine derartige Geheimhaltung verstösst gegen internationale Standards für ein faires Gerichtsverfahren, die auch das Recht auf eine öffentliche Verhandlung beinhalten (das übergeordnete Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren durch ein zuständiges, unabhängiges, unparteiisches und auf Gesetz beruhendes Gericht ist in Artikel 14 Absatz 1 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte verankert). Ausserdem erhöht eine Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Gefahr von Verfahrensfehlern.
Rita Karasartova hätte gar nicht erst festgenommen werden dürfen, und wird darüber hinaus jetzt noch einem unfairen Verfahren unterzogen.
Rita Karasartova ist eine Menschenrechtsverteidigerin und Expertin für Bürgerbeteiligung aus Kirgisistan. Sie leitet das nichtstaatliche Institut für öffentliche Analyse und ist Mitglied der Oppositionskoalition Vereinigten Demokratischen Bewegung Kirgisistans. Am Abend des 14. April 2025 durchsuchten Ordnungskräfte das Haus von Rita Karasartova in Bischkek. Augenzeug*innen zufolge konfiszierte eine Gruppe aus zwölf Sicherheitskräften, davon drei maskiert und bewaffnet, elektronische Geräte und Dokumente. Rita Karasartova wurde zum Verhör auf das Polizeirevier mitgenommen und anschliessend 48 Stunden lang in einer temporären Hafteinrichtung untergebracht. Die Hausdurchsuchung und ihre Festnahme erfolgten, kurz nachdem sie auf ihrer Facebook-Seite einen Brief des kirgisischen Exilanten Tilekmat Kurenov veröffentlicht hatte, eines zivilgesellschaftlichen Aktivisten, der in den Vereinigten Arabischen Emiraten «verschwunden» sein soll.
Am 17. April wurde während einer gerichtlichen Anhörung bekanntgegeben, dass Rita Karasartova bis mindestens zum 12. Mai in Untersuchungshaft bleiben werde. Die Anhörung fand unter schweren Ver-stössen gegen die Verfahrensvorschriften statt. Der Richter stellte der Verteidigung nicht alle erforderlichen Verfahrensunterlagen zur Verfügung. Er räumte ein, dass während ihrer Inhaftierung «Verfahrensverstösse begangen wurden, die Inhaftierung selbst jedoch gerechtfertigt war». Ausserdem fand die Anhörung am späten Abend bzw. in der Nacht vom 16. auf den 17. April statt.
Rita Karasartova war schon einmal am 23. Oktober 2022 festgenommen worden, zusammen mit anderen Aktivist*innen und Politiker*innen, die Transparenz bei einem neuen Grenzabkommen mit Usbekistan gefordert hatten, das dem Nachbarland Usbekistan die Kontrolle über das Süsswasserreservoir Kempir-Abad in der Provinz Andijon zusprechen soll. Die Menschenrechtlerin war monatelang in einer überfüllten Zelle inhaftiert, ohne ihre Familie sehen oder sprechen zu können, und wurde später unter Hausarrest gestellt. Sie wurde des Versuchs zum «gewaltsamen Umsturz der Regierung» angeklagt, worauf bis zu 20 Jahre Gefängnis stehen.
Am 14. Juni 2024 liess ein Gericht in Bischkek 22 Angeklagte im Kempir-Abad-Fall frei, unter ihnen auch Rita Karasartova. Die Staatsanwaltschaft von Kirgisistan hat ein Rechtsmittel gegen die Freilassung eingelegt, und das Rechtsmittelverfahren läuft noch. Das Gericht könnte noch anders entscheiden.
Der Fall von Rita Karasartova war Teil des weltweiten Briefmarathons von Amnesty International im Jahr 2023.