Von den 37 verurteilten Personen befinden sich sechs Oppositionspolitiker – Jaouhar Ben Mbarek, Khayyam Turki, Issam Chebbi, Ghazi Chaouachi, Ridha Belhaj und Abdelhamid Jelassi – sowie der Geschäftsmann Kamel Ltaief seit ihrer Festnahme im Februar 2023 in willkürlicher Haft. Ausserdem wurden mehrere Personen verurteilt, die bereits zuvor aus politischen Gründen inhaftiert waren. Dazu gehören die führenden Oppositionspolitiker Noureddine Bhiri, Sahbi Atig und Said Ferjani von der ehemaligen Regierungspartei Nahdha. Das Verfahren richtete sich auch gegen die prominenten Menschenrechtsverteidiger Ayachi Hammami und Bochra Bel Haj Hmida sowie gegen weitere Geschäftsleute und Betreiber*innen von privaten Medienhäusern. Auch sie wurden verurteilt, sind jedoch weiterhin frei oder im Exil.
Der Prozess war durch eklatante Verstösse gegen ein faires Verfahren geprägt. Die Angeklagten waren nicht im Gerichtssaal, der Prozess wurde per Fernverfahren geführt. Während der dritten und letzten Anhörung am 18. April wurde auch nationalen und internationalen Prozessbeobachter*innen aus der Zivilgesellschaft, von den Botschaften, Nichtregierungsorganisationen und unabhängigen Medien die Teilnahme verwehrt. Nur ein Familienmitglied pro Angeklagten wurde zugelassen. Trotz der Einwände der Rechtsbeistände gegen die Verfahrensverstösse – wie der Abwesenheit der Angeklagten – eröffnete der Richter die Verhandlung mit der Verlesung der Anklageschrift. Die Anhörung dauerte nur wenige Minuten. Die Angeklagten kamen nicht zu Wort, es gab keine Kreuzverhöre oder Stellungnahmen der Rechtsbeistände. Zu den Verurteilten gehören der Geschäftsmann Kamel Ltaief (74 Jahre), die Oppositionellen Noureddine Bhiri (43 Jahre), Khayyam Turki (38 Jahre), Jaouhar Ben Mbarek, Issam Chebbi, Ghazi Chaouachi und Chaima Issa (alle 18 Jahre), Abdelhamid Jelassi, Sahbi Atig, Said Ferjani (alle 13 Jahre) sowie die Menschenrechtsverteidiger Bochra Bel Haj Hmida (43 Jahre) und Ayachi Hammami (8 Jahre).
Nachdem im Februar 2023 Ermittlungen eingeleitet worden waren, wurde am 4. März 2025 der Prozess im «Verschwörungsfall» gegen mindestens 40 Personen eröffnet, darunter Oppositionelle, Geschäftsleute, Rechtsbeistände und Menschenrechtsverteidiger*innen aus dem gesamten politischen Spektrum. Gegen alle Angeklagten wurde aufgrund konstruierter Verschwörungsanklagen nach zehn Bestimmungen des tunesischen Strafgesetzbuches ermittelt, darunter Paragraf 72, der die Todesstrafe für den Versuch vorsieht, «die Staatsform zu verändern». Ausserdem wurden sie wegen angeblichen Verstössen gegen 17 Paragrafen des Antiterrorgesetzes von 2015 angeklagt, darunter Paragraf 32, der eine Freiheitsstrafe von bis zu 20 Jahren für die «Bildung einer terroristischen Vereinigung» vorsieht. Die Anklagen basieren ausschliesslich auf der Organisation von oder Teilnahme der Angeklagten an Treffen der Opposition, auch mit ausländischen Staatsangehörigen – was keine Straftat ist.
Die Behörden hielten acht der Angeklagten seit ihrer Festnahme im Februar 2023 willkürlich in Untersuchungshaft fest. Der Richter und das Berufungsgericht in Tunis lehnten die Anträge der Rechtsbeistände auf Freilassung aller acht Verdächtigen aus der Untersuchungshaft zunächst ab. Im Juli 2023 liess das Gericht die bekannte Oppositionspolitikerin Chaima Issa und den Regierungskritiker Lazhar Akremi jedoch nach fast fünf Monaten in willkürlicher Haft frei, mit der Auflage, nicht ins Ausland zu reisen oder an «öffentlichen Orten aufzutreten». Für die verbliebenen sechs Angeklagten verlängerte das Gericht die Untersuchungshaft mit der Begründung, der «ordnungsgemässe Ablauf der Ermittlungen müsse sichergestellt werden». Damit überschritten sie die in der Strafprozessordnung festgelegte gesetzliche Höchstdauer von Untersuchungshaft von 14 Monaten. Zu den weiterhin Inhaftierten gehören der Politiker Khayam Turki, der am 11. Februar 2023 festgenommen wurde, der Geschäftsmann Kamel Ltaief, der am 11. Februar 2023 festgenommen wurde, der Dissident und Politiker Abdelhamid Jelassi, der am 12. Februar 2023 festgenommen wurde, der oppositionelle Aktivist Issam Chebbi, der am 22. Februar 2023 in Gewahrsam genommen wurde; ausserdem der oppositionelle Aktivist Jaouhar Ben Mbarek, der am 24. Februar 2023 festgenommen wurde, und schliesslich die Rechtsanwälte Ghazi Chaouachi und Ridha Belhaj, die am 25. Februar 2023 in Gewahrsam kamen.