Am 6. und 7. Juni 2025 gingen in Los Angeles und Paramount im US-Bundesstaat Kalifornien zahlreiche Menschen gegen gross angelegte und militarisierte Razzien der Einwanderungs- und Zollbehörde ICE auf die Strasse. ICE-Angehörige reagierten aggressiv auf diese Proteste und setzten unter anderem Gummigeschosse und Tränengas gegen friedliche Protestierende ein. Am Abend des 7. Juni warfen einige Demonstrierende Steine und andere Gegenstände auf Angehörige der ICE, woraufhin Präsident Trump ankündigte, 2'000 Truppen der US-Nationalgarde entsenden zu wollen, um die Proteste zu unterdrücken.
Es ist das erste Mal seit 1965, dass ein Präsident die Nationalgarde eines Bundesstaats ohne Einwilligung des*r jeweiligen Gouverneur*in aktiviert hat. Zuletzt hatte Präsident Lyndon B. Johnson 1965 gegen den Willen eines Gouverneurs die Nationalgarde aktiviert, um Bürgerrechtsaktivist*innen in Alabama zu schützen; die Trump-Regierung hingegen setzt das Militär ein, um Demonstrierende zu unterdrücken. Eine Gruppe von 22 demokratischen Gouverneur*innen hat eine Erklärung abgegeben, in der sie das Vorgehen von Präsident Trump als «Machtmissbrauch» bezeichnet und geltend macht, dass seine Massnahmen gegen das bundesweit geltende Gesetz verstossen, mit dem sie gerechtfertigt werden.
Am 9. Juni entsandte der Präsident weitere 2'000 Angehörige der kalifornischen Nationalgarde in das Gebiet der Proteste und versetzte etwa 700 Marinesoldat*innen nahe Los Angeles in Einsatzbereitschaft. Der Einsatz der Marinesoldat*innen verstösst möglicherweise gegen den Posse Comitatus Act, ein Bundesgesetz, das den Einsatz des Militärs zur Ausübung von Polizeiaufgaben mit wenigen Ausnahmen verbietet. Ebenfalls am 9. Juni strengten der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom und der Staat Kalifornien eine Klage gegen die Trump-Regierung an, um den Einsatz von Angehörigen der Marines und der kalifornischen Nationalgarde zur Ausübung von Polizeiaufgaben in dem Bundesstaat zu verhindern; hierzu zählt auch der Einsatz dieser Soldat*innen, um Angehörigen der Bundesbehörden bei der Durchsetzung von Einwanderungsbestimmungen zu helfen.
Das Memo, mit dem Präsident Trump diese Massnahmen rechtfertigt, entspricht möglicherweise nicht geltendem Recht. So werden falsche Angaben über die Lage vor Ort gemacht und das Gesetz missbraucht, um die Nationalgarde zu entsenden. Das Memo ist ausserdem so weit gefasst, dass es überall dort eingesetzt werden könnte, wo es zu Protesten kommt – insbesondere als Reaktion auf gewaltsame und aggressive Razzien durch Angehörige der ICE oder anderer Bundesbehörden an Arbeitsplätzen, in Gerichtsgebäuden oder in Wohnvierteln. Tatsächlich hat Präsident Trump angekündigt, dass es landesweit zu weiteren Razzien kommen wird, und gemahnt, dass weitere Proteste mit «derselben oder grösserer Gewaltanwendung» beantwortet würden wie die in Los Angeles. Behördenmitarbeiter*innen, die entsprechenden Razzien vornehmen, werden schon jetzt durch das Militär unterstützt.
Während der Einsatz der Nationalgarde vor allem dem Schutz einer Bundesbehörde in der Innenstadt von Los Angeles diente, verfügen die Angehörigen der Nationalgarde weder über die Erfahrung noch über die Ausbildung, um Polizeiaufgaben, z.B. bei Protesten, zu übernehmen. Die landesweiten Proteste im Jahr 2020 haben gezeigt, dass solche Situationen schnell eskalieren und zur Verletzung der Menschenrechte von Demonstrierenden führen können.
Eine Regierung, die transparent ist und zur Rechenschaft gezogen werden kann, ist das Fundament der Rechtsstaatlichkeit. Das willkürliche und rechtswidrige Vorgehen von Präsident Trump – der Einsatz des Militärs zur Unterdrückung friedlicher Proteste – untergräbt die Rechtsstaatlichkeit und die Wirksamkeit der Regierung. Diese Elemente sind jedoch für die Wahrung und den Schutz der Menschenrechte sowie für die Einhaltung der Gesetze der USA unerlässlich.