Gubad Ibadoghlu, ein prominenter Akademiker und politischer Aktivist, war bereits 2023 unter konstruierten Vorwürfen festgenommen worden. Momentan befindet er sich im Hausarrest und darf nicht für eine dringend benötigte medizinische Behandlung ins Ausland reisen. Er hat mehrere gesundheitliche Probleme, darunter ein Aortenaneurysma – ein schweres Herzkreislaufleiden, das sich weiter verschlechtert, während er unter Hausarrest steht. Die Erkrankung verursacht ihm zunehmend Schmerzen in der Brust und Kurzatmigkeit. Nach Angaben seiner Familie belegen die jüngsten medizinischen Tests eine Verschlechterung seines Gesundheitszustands, so dass er in Lebensgefahr schwebt und dringend behandelt bzw. operiert werden muss. Seine Familienangehörigen berichten auch, dass sie kein Krankenhaus in Aserbaidschan finden können, das die von Gubad Ibadoughlu benötigte Operation durchführt.
Gubad Ibadoughlu ist seit dem 23. Juli 2023 inhaftiert, offenbar als Vergeltung für seine Arbeit zur Korruptionsbekämpfung und seine Kritik an den aserbaidschanischen Behörden. Am 22. April 2024 wurde Gubad Ibadoghlu aus der Haft in den Hausarrest überstellt. Er ist nach wie vor mit den gegen ihn erhobenen politisch motivierten Anschuldigungen und einem Ausreiseverbot konfrontiert. Somit kann er sich weder adäquat im Ausland behandeln lassen noch seine Angehörigen sehen, die derzeit alle im Exil leben.
Gubad Ibadoghlu ist ein bekannter aserbaidschanischer Wirtschaftswissenschaftler und Politiker. Er ist der Vorsitzende der Aserbaidschanischen Bewegung für Demokratie und Wohlstand, die 2014 gegründet wurde und der die aserbaidschanischen Behörden willkürlich die Registrierung als politische Partei verweigern. Er war Gastwissenschaftler an der London School of Economics und leitete das Economic Research Center in Aserbaidschan, eine Nichtregierungsorganisation, die sich mit der Verwaltung der öffentlichen Finanzen, guter Regierungsführung und Haushaltstransparenz beschäftigt. Die aserbaidschanischen Behörden schlossen 2014 das Economic Research Center und froren dessen Bankkonten ein. Gubad Ibadoghlu ging 2017 ins politische Exil, kehrte aber 2023 nach Aserbaidschan zurück, um seine Familie zu besuchen.
Am 23. Juli 2023 nahmen Polizist*innen Gubad Ibadoghlu und seine Frau Irada Bayramova fest, als sie auf dem Weg zu einem Treffen mit Jugendaktivist*innen der Aserbaidschanischen Bewegung für Demokratie und Wohlstand in Sumgayit waren, einer Stadt etwa 40 Kilometer von Baku entfernt. Vier nicht gekennzeichnete Fahrzeuge kreisten gegen 13 Uhr ihren Wagen ein und zwangen sie zum Anhalten, indem sie ihn von vorne und hinten rammten. Nach Angaben ihrer Tochter Zhala Bayramova zwangen 20 Polizist*innen in Zivil das Paar aus dem Auto, griffen sie tätlich an, zwangen sie dann in getrennte Autos und fuhren sie zur Abteilung für organisierte Kriminalität des Innenministeriums in Baku. Als Irada Bayramova um 19 Uhr freigelassen wurde, hatte sie Prellungen an Armen, Beinen und am Rücken. Gubad Ibadoghlu hat sowohl wegen ihren als auch seinen eigenen Misshandlungen Anzeige erstattet, auf die bisher nicht reagiert wurde.
Nach einer offiziellen Erklärung des aserbaidschanischen Innenministeriums vom gleichen Tag war die Festnahme mehrerer Personen, darunter Gubad Ibadoghlu, Teil einer Operation gegen Anhänger*innen des inzwischen im Exil gestorbenen türkischen Geistlichen Fethullah Gülen, die von den türkischen Behörden als Mitglieder einer «terroristischen Organisation» eingestuft werden. Die Polizei soll unter anderem 40.000 US-Dollar in bar aus dem Büro des Economic Research Center beschlagnahmt haben. Sicherheitskräfte durchsuchten auch das Haus von Gubad Ibadoghlu und Irada Baymarova und nahmen Ibadoghlus Bruder, Gabid Baymalov, vorübergehend in Haft.
Am 22. April 2024 wurde Gubad Ibadoghlu aus der Haft in den Hausarrest überstellt. Nach Angaben seines Rechtsbeistands beruhte die Entscheidung auf dem sich verschlechternden Gesundheitszustand von Gubad Ibadoghlu und den fehlenden medizinischen Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten in der Haftanstalt. Er leidet unter anderem an einer Herzerkrankung, Typ-2-Diabetes, Nierenerkrankungen und starken Schmerzen im unteren Rückenbereich. Nach Angaben seiner Familie haben sich sein Blutzuckerspiegel und sein allgemeiner Gesundheitszustand stark verschlechtert. Gleichzeitig wurde Gubad Ibadoghlu nicht angemessen medizinisch untersucht, um die Ursachen zu ermitteln und einen passenden Behandlungsplan zu erstellen.
Am 23. Oktober teilte die Familie von Gubad Ibadoghlu Amnesty International mit, dass die jüngsten medizinischen Tests eine kontinuierliche Verschlechterung seiner Herzerkrankung zeigen, die eine dringende Behandlung bzw. Operation erfordert. Die Familie berichtete auch, dass sie kein Krankenhaus in Aserbaidschan finden konnte, das die von ihm benötigte Operation zur Behebung seines Aortenaneurysmas durchführen kann. Unter den Bedingungen seines Hausarrests kann er Aserbaidschan nicht verlassen, auch nicht aus medizinischen Gründen.
Die unbegründete Strafverfolgung von Gubad Ibadoghlu ist Teil des anhaltenden Vorgehens der aserbaidschanischen Behörden gegen Menschenrechtsverteidiger*innen, Regierungskritiker*innen, unabhängige Medien und alle Andersdenkenden. Kritik an den Behörden wird routinemässig unterdrückt. Wer es wagt, die Regierung zu kritisieren, muss mit konstruierten Anklagen, unfairen Gerichtsverfahren und langen Haftstrafen rechnen. Amnesty International hat bereits in der Vergangenheit dokumentiert, wie die aserbaidschanischen Behörden vor grossen internationalen Veranstaltungen versucht haben, alle kritischen Stimmen im Land zum Schweigen zu bringen. Dieses bekannte Muster ist auch im Vorfeld der Weltklimakonferenz 2024 (COP29) zu beobachten, die das Land im November 2024 in der Hauptstadt Baku ausrichten wird.