Nach seiner Festnahme wurde Ibrahim Metwaly zwei Tage lang ohne Kontakt zur Aussenwelt festgehalten und dann der Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP) vorgeführt. In dieser Zeit wurde er gefoltert oder anderweitig misshandelt. Seinen Rechtsbeiständen berichtete er, dass Beamt*innen der Nationalen Sicherheitsbehörde (NSA) ihn vollständig entkleidet, ihm an verschiedenen Stellen seines Körpers Elektroschocks versetzt, ihn mit Wasser übergossen und geschlagen hätten.
Ibrahim Metwaly wurde zunächst in Untersuchungshaft gehalten, während die Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Kommunikation mit «ausländischen Stellen» und der Verbreitung von «Falschnachrichten» unter dem Aktenzeichen 900 aus dem Jahr 2017 liefen. Das SSSP eröffnete zwei neue Strafverfahren gegen ihn, nämlich die Fälle Nr. 1470 im Jahr 2019 und Nr. 786 im Jahr 2020, mit ähnlichen Anklagen. Diese als «Rotation» bezeichnete missbräuchliche Praxis wird von den Behörden systematisch gegen Kritiker*innen eingesetzt, um sie auf unbestimmte Zeit in Untersuchungshaft zu halten. Dieses Vorgehen verstösst gegen ägyptisches Recht, das eine Höchstdauer von zwei Jahren für die Untersuchungshaft vorsieht. Im September und Oktober 2024 stellten die ägyptischen Behörden Ibrahim Metwaly in den Fällen Nr. 900 und Nr. 1470 unter anderem wegen «Beitritts zu einer Gruppe, die unter Verstoss gegen das Gesetz gegründet wurde, und Begehung des Verbrechens der Terrorismusfinanzierung» vor Gericht. Seine Rechtsbeistände haben bisher keinen Zugang zu seinen Akten erhalten, und es wurden noch keine Verhandlungstermine angesetzt.
Am 15. Januar 2025 gab die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die Situation von Menschenrechtsverteidiger*innen eine Erklärung ab, in der sie die Anwendung von Antiterrorgesetzen zur Inhaftierung von Menschenrechtsverteidiger*innen verurteilte. In ihrer Erklärung wies sie auf die lange willkürliche Inhaftierung von Ibrahim Metwaly und die Verweigerung einer angemessenen medizinischen Versorgung durch die ägyptischen Behörden hin. Ibrahim Metwaly muss unverzüglich und bedingungslos freigelassen werden, da er allein wegen der friedlichen Wahrnehmung seiner Menschenrechte festgehalten wird, zu denen auch das Bemühen um Wahrheit und Gerechtigkeit für seinen verschwundenen Sohn gehört.
Ibrahim Metwaly ist Anwalt und Mitbegründer der Organisation Families of the Disappeared in Egypt (Familien von Opfern des Verschwindenlassens in Ägypten). Er hatte die Gruppe gegründet, weil sein Sohn Amr am 8. Juli 2013 Opfer des Verschwindenlassens wurde. Ibrahim Metwaly suchte in Polizeistationen, Gefängnissen, Krankenhäusern und Leichenhallen erfolglos nach seinem Sohn. Die ägyptischen Sicherheitskräfte leugneten jegliche Kenntnis über seinen Verbleib. Amr ist noch immer «verschwunden», aber seine Familie hat nach der Festnahme von Ibrahim Metwaly aus Angst vor weiteren Repressalien aufgehört, nach ihm zu suchen. Am 12. September 2017, nach der Festnahme von Ibrahim Metwaly, ordnete die Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit (SSSP) eine 15-tägige Untersuchungshaft für den Menschenrechtsanwalt an. Ihm wurde vorgeworfen, eine illegale Gruppierung gegründet zu haben, die sich «Organisation der Familien von Opfern des Verschwinden-lassens» nennt. Zudem wurde ihm vorgeworfen, «Falschinformationen zu verbreiten» und «mit ausländischen Gruppen zu konspirieren, um der nationalen Sicherheit Ägyptens zu schaden».
Zu dem Prinzip der Rotation gehört, dass die SSSP neue (konstruierte) Strafverfahren auf der Grundlage ähnlicher Vorwürfe gegen Personen einleitet, deren Freilassung bevorsteht, um diese so länger in Untersuchungshaft halten zu können. Die SSSP hat unter Fallnummer 1470 aus dem Jahr 2019 und Fallnummer 786 aus dem Jahr 2020 Ermittlungen zu neuen Fällen gegen Ibrahim Metwaly eingeleitet.
Im Juni 2022 wurde Ibrahim Metwaly nach fünf Jahren im Tora-Gefängnis ins Badr-Gefängnis verlegt, wo er sich nach wie vor befindet. Ibrahim Metwaly leidet an mehreren gesundheitlichen Problemen, darunter eine vergrösserte Prostata, die laut Fachmediziner*innen dringend operiert werden muss. Am 4. Dezember 2024 beantragte seine Familie beim SSSP die Genehmigung für seine Verlegung in eine Fachklinik ausserhalb des Gefängnisses, um sich einer dringenden Prostataoperation zu unterziehen. Der Antrag der Familie blieb jedoch unbeantwortet.
Im Badr 3 Prison sind die Gefangenen nach Recherchen von Amnesty International extrem schlechten Bedingungen ausgesetzt. Ehemalige Häftlinge und Familienangehörige berichten von stark eingeschränktem Zugang zu Grundversorgungsgütern wie ausreichender Nahrung, Kleidung und Büchern.
Die Behörden verweigern oft den regelmässigen Kontakt zu Familien und Rechtsbeiständen. Anhörungen zur Verlängerung der Haft werden routinemässig online abgehalten. Solche Anhörungen finden unter Zwang und in Anwesenheit von Gefängnispersonal statt, und die Häftlinge werden daran gehindert, mit ihren Rechtsbeiständen zu kommunizieren. Darüber hinaus setzen sie die Gefangenen dem Risiko von Repressalien durch das Gefängnispersonal aus, wenn sie sich über Folter oder andere Misshandlungen beschweren, und behindern die Fähigkeit der Richter*innen, sichtbare Blutergüsse oder andere Verletzungen zu erkennen.
Ibrahim Metwalys Familie darf ihn alle 45 Tage oder alle zwei Monate besuchen. Die Besucher*innen sitzen in einer Kabine mit einer Glastrennwand, die sie von ihren Angehörigen trennt, was die Kommunikation aufgrund der geringen Lautstärke des Telefons erschwert. Die Familie darf auch alle 30 Tage Lebensmittel, Kleidung und medizinische Artikel schicken, berichtet jedoch, dass das Gefängnispersonal gelegentlich bestimmte Artikel nach eigenem Ermessen verbieten.
Amnesty International hat in den vergangenen zehn Jahren in Ägypten zahlreiche Fälle von Verschwindenlassen dokumentiert. Personen, die der Beteiligung an terroristischen Aktivitäten oder an Protesten verdächtigt werden, werden von der Nationalen Sicherheitsbehörde (NSA) und anderen Sicherheitskräften regelmässig über Zeiträume von einigen Tagen bis zu 23 Monaten ohne Kontakt zur Aussenwelt festgehalten, ohne dass ihre Angehörigen und Rechtsbeistände etwas über ihr Schicksal und ihren Verbleib erfahren. Ägypten ist noch immer kein Vertragsstaat des Internationales Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen.