Es besteht grosse Sorge um das Leben des inzwischen 25-jährigen Sängers Yahaya Sheriff-Aminu. Am 10. August 2020 verurteilte ein oberes Scharia-Gericht im Bundesstaat Kano den damals 21-Jährigen wegen «Blasphemie» zum Tode durch den Strang, weil er ein Lied über WhatsApp verbreitet hatte, das als blasphemisch gegen den Propheten Muhammad angesehen wurde. Im Januar 2021 hob ein Gericht im Bundesstaat Kano die Verurteilung von Yahaya Sheriff-Aminu auf und ordnete eine Wiederaufnahme des Verfahrens wegen Unregelmässigkeiten im ursprünglichen Prozess an.
Die Anwält*innen von Yahaya Sheriff-Aminu legten gegen die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens Rechtsmittel ein und wiesen darauf hin, dass er nach wie vor mit dem Blasphemiegesetz des Staates Kano konfrontiert sein würde. Sie forderten das zuständige Berufungsgericht in Kano auf, den Fall abzuweisen und das Blasphemiegesetz für verfassungswidrig zu erklären. Doch im August 2022 bestätigte das Berufungsgericht in Kano die Anordnung des Obersten Gerichtshofs zur Wiederaufnahme des Verfahrens und die Verfassungsmässigkeit des Blasphemiegesetzes. Im November 2022 legten die Anwält*innen von Yahaya Sharif-Aminu beim Obersten Gerichtshof von Nigeria Berufung ein und stellten die Verfassungsmässigkeit der Blasphemiegesetze des Staates Kano auch hier in Frage. Zwei Jahre später gibt es immer noch keinen Termin für die Anhörung. Yahaya Sheriff-Aminu ist weiterhin in der Justizvollzugsanstalt Jos im nigerianischen Bundesstaat Plateau inhaftiert und wartet auf das Berufungs-verfahren vor dem Obersten Gerichtshof.
Im März 2024 besuchte Amnesty International Yahaya Sheriff-Aminu in der Haft und stellte fest, dass sein Gesundheitszustand schlecht ist. Er leidet an schwerem Asthma und benötigt regelmässig einen Inhalator und entsprechende Medikamente. Ausserdem wurde er nicht mit ausreichender Nahrung und angemessener Kleidung versorgt. Im November 2024 besuchte Amnesty International Yahaya Sharif-Aminu erneut. Dank der Medikamente, die ihm seine Familie gebracht hatte, hatte er sich zwar etwas erholt, doch der regelmässige Zugang zu seinen Medikamenten ist nach wie vor nicht angemessen gewährleistet.
Blasphemiegesetze sind ein Verstoss gegen das Recht auf freie Meinungsäusserung. Darüber hinaus verstösst die Verhängung der Todesstrafe für «Blasphemie» gegen die Verpflichtungen Nigerias aus dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, der die Anwendung dieser Strafe auf die «schwersten Verbrechen» beschränkt, was sich gemäss dem UN-Menschenrechtsausschuss auf eine vorsätzliche Tötung bezieht.
Das vom Obersten Scharia-Gericht im nigerianischen Bundesstaat Kano gegen Yahaya Sheriff-Aminu verhängte Todesurteil wurde sowohl im Inland als auch international heftig kritisiert - auch vom Europäischen Parlament, das auf seiner Sitzung am 20. April 2023 die nigerianischen Behörden aufforderte, Yahaya Sheriff-Aminu freizulassen. Auch UN-Expert*innen forderten am 16. Mai 2024 die Freilassung von Yahaya Sheriff-Aminu. Darüber hinaus gab es ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Fairness des Verfahrens gegen Yahaya Sheriff-Aminu und der Formulierung der gegen ihn erhobenen Anklage. Vor und während des Prozesses wurde ihm kein Rechtsbeistand gewährt. Nachdem Menschenrechts-anwält*innen und -aktivist*innen Druck auf das Gericht ausgeübt hatten, sein Recht auf einen Rechtsbeistand zu respektieren, wurde ihm schliesslich Zugang zu einem Rechtsbeistand gewährt, um eine Berufung vorzubereiten. Im Bundesstaat Kano ist «Blasphemie» nach der Scharia ein Straftatbestand, auf den die Todesstrafe steht.
Die Todesstrafe ist in Nigeria nach wie vor eine rechtmässige Strafe und wird weiterhin im ganzen Land verhängt. Im Jahr 2023 wurden mehr als 246 neue Todesurteile verzeichnet. Insgesamt waren Ende des Jahres mehr als 3'413 Menschen zum Tode verurteilt. In Nigeria betonten sowohl die Nationale Studiengruppe zur Todesstrafe (2004) als auch die Präsidialkommission für die Justizverwaltung (2007), dass im nigerianischen Strafrechtssystem ein faires Verfahren nicht garantiert ist, und forderten ein Moratorium für die Todesstrafe.
Die Blasphemiegesetze und ihre Umsetzung verstossen gegen die Verpflichtung Nigerias, das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungs-äusserung gemäss Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte zu achten und zu schützen. Nach Artikel 19 Absatz 1 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte haben alle das Recht auf unbehinderte Meinungsfreiheit. Artikel 19, Absatz 2 besagt, dass jede Person das Recht auf freie Meinungsäusserung hat, einschliesslich des Rechts, Informationen und Ideen aller Art über alle Medien zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten. Nach Artikel 19 Absatz 3 können bestimmte Beschränkungen der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäusserung (nicht aber des Rechts auf Meinungsfreiheit) auferlegt werden, jedoch nur, wenn diese Beschränkungen strengen Anforderungen genügen, d. h. wenn sie gesetzlich vorgesehen und für einen der nach dem Völkerrecht zulässigen spezifischen legitimen Zwecke nachweislich erforderlich und verhältnismässig sind.
Der UN-Menschenrechtsausschuss hat in seiner Allgemeinen Bemerkung Nr. 34 über die Meinungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungs-äusserung ausdrücklich festgestellt, dass Verbote von Äusserungen der Missachtung einer Religion oder eines anderen Glaubenssystems, einschliesslich Blasphemiegesetze, mit dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte unvereinbar sind, ausser unter den in Artikel 20 Absatz 2 vorgesehenen besonderen Umständen. Artikel 20 Absatz 2 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte besagt: «Jedes Eintreten für nationalen, rassischen oder religiösen Hass, durch das zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt aufgestachelt wird, wird durch Gesetz verboten». (Paragraf 48).
Die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und Rechte der Völker (Afrikanische Kommission) hat wiederholt Resolutionen zur Todesstrafe verabschiedet und die Vertragsstaaten der Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker - wie Nigeria - aufgefordert, ein Moratorium für die Vollstreckung von Todesurteilen mit dem Ziel der Abschaffung der Todesstrafe zu erlassen und das zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zu ratifizieren, das auf die Abschaffung der Todesstrafe abzielt, zuletzt im November 2024.
Die Haftbedingungen in Nigeria sind hart. Die Verpflegung, die medizinische Versorgung und andere Bedingungen entsprechen nicht den Mindestanforderungen, die in den UN-Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen, den Nelson-Mandela-Regeln, und anderen internationalen Standards festgelegt sind.